Landesempfehlungen zur Versorgung traumatisierter Geflüchteter

Ansätze für eine verbesserte Versorgung

Im März 2022 veröffentlichte das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg „Empfehlungen zur vernetzten Versorgung psychisch traumatisierter Geflüchteter“. Diese waren seit Februar 2021 unter Beteiligung verschiedener Akteure der Versorgung, einschließlich der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (PSZ), in einem durch das Sozialministerium moderierten Prozess erarbeitet worden. In den Empfehlungen werden drei Ebenen unterschieden: Erstens, zielgruppenspezifische Maßnahmen, um den Zugang zum psychosozialen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgungsangebot im Regelsystem zu fördern; zweitens, Förderung spezialisierter Angebote, wie sie z.B. durch die PSZ vorgehalten werden; und drittens die Fragestellung, wie Versorgungsangebote unabhängig von verschiedenen aufenthaltsrechtlichen Phasen zur Verfügung stehen können.

Vernetzung im Hilfesystem

Die lokalen Gegebenheiten in der Versorung können sich aufgrund unterschiedlicher Faktoren (z.B. Stadt-Land) unterscheiden. Vor diesem Hintergrund wird eine Vernetzung des kommunalen Integrationsmanagements mit relevanten Akteuren des Gemeindepsychiatrischen Verbunds (GPV) empfohlen. So soll bei mindestens jährlich einem GPV-Netzwerk-, bzw. Steuerungstreffen in den Stadt- und Landkreisen die Versorgung Geflüchteter als Thema gesetzt werden. Die PSZ sollen hierzu eingeladen werden. Im Einzugsgebiet von Refugio Stuttgart e.V. sind bereits mehrere solcher Treffen für 2024 geplant. Eine ähnliche Vernetzung wird in Bezug auf die kommunalen Netzwerke für Suchtprävention und Suchthilfe (KNS) empfohlen.

Schulungen, Fallberatung und Clearing

Mitarbeiter:innen der Flüchtlingssozialarbeit und des Integrationsmanagements spielen eine zentrale Rolle dabei, weiterführenden Hilfebedarf bei Geflüchteten zu erkennen. Die Empfehlungen heben deshalb die entsprechende Schulung der Mitarbeiter:innen sowie die Möglichkeit einer niedrigschwelligen anonymisierten Fallbereatung bei kooperierenden Fachstellen hervor. So wird für das Integrationsmanagement eine Vernetzung mit den Sozialpsychiatrischen Diensten (SpDi) empfohlen, einschließlich der Möglichkeit einer Überweisung in ein niedrigschwelliges und vom Aufenthaltsstaus unabhängiges Clearing. Zudem wird auf die Kompetenzen und Angebote der PSZ zur Fallberatung hingewiesen. Mit dem Angebot der Telefonischen Fachberatung stellt Refugio Stuttgart bereits seit Jahren ein solches Angebot bereit, das in diesem Kontext nun an Bedeutung gewinnt.

Sprachmittlung

Die Empfehlungen sehen den Einsatz von Sprachmittler:innen in der psychosozialen Beratung und therapeutischen Behandlung als „herausfordernde Sprachmittlungssituationen“ an. Daraus folgt, dass eine Basisschulung nicht ausreicht. In der Beratung von traumatisierten Geflüchteten sollen nur speziell geschulte Sprachmittler:innen eingesetzt werden, wie dies bei Refugio Stuttgart bereits der Fall ist. Die Empfehlungen legen deshalb den weiteren Ausbau und die Qualifizierung von Sprachmittlerpools nahe und sehen die Kommunen hier in einer mindestens koordinierenden Rolle. Die Entlohnung wird in den Empfehlungen ebenfalls angesprochen. So soll der Sprachmittlereinsatz über ein Honorar entlohnt werden, die Landesregierung setzt sich zudem politisch für eine Kostenübernahme durch den Bund ein.

Interkulturelle Öffnung der Kliniken

Wünschenwert wäre laut den Empfehlungen, dass mehr Menschen mit Fluchterfahrung bei Bedarf auch in psychiatrischen Kliniken aufgenommen und behandelt werden können. Mitarbeiter:innen der Flüchtlingssozialarbeit und PSZ könnten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Geflüchtete im Vorfeld und im Verlauf der Behandlungen im Kontakt mit den Krankenhäusern unterstützen. Bedeutsam ist in diesem Kontext die allgemeine Bereitschaft in den Kliniken an einer interkulturellen Öffnung und dem Auf- bzw. Ausbau von geschulten Sprachmittlerpools.

Text der Empfehlungen als Download