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März bis Mai: Buchstaben-Kunst in den Räumen der Beratungsstelle in Stuttgart
Eine Bilderserie unseres Sprachmittlers Salah Ünsaler zeigt die Ästhetik verschiedener Sprachen

Die sprachliche Vielfalt bei Refugio Stuttgart ist sehr groß. Unsere Klientinnen und Klienten sprechen über zwanzig verschiedene Sprachen. Da viele nur wenig Deutsch sprechen, stellt dies die Beratung und Therapie vor eine Herausforderung.
Unsere Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sind der Schlüssel zur Überwindung dieser Herausforderung.
Durch sie wird die sprachliche Vielfalt zu einer Ressource. Feine inhaltliche Unterschiede und kulturelle Besonderheiten, die in einer einsprachigen Beratung verborgen bleiben würden, werden durch die Mehrsprachigkeit unserer Sprachmittler:innen sichtbar - und durch ihre kulturmittelnde Tätigkeit verständlich.
Einer unserer Sprachmittler ist Salah Ünsaler. Seit etwa fünf Jahren ist er für Refugio Stuttgart als Deutsch-Türkischer Dolmetscher tätig. Er wurde 1951 in Istanbul geboren, verbrachte seine Kindheit am Bosporus. Schon am Gymnasium lernte er Deutsch, nach seinem Abitur kam er zum Studieren nach Stuttgart.
Seinen ersten Auftrag als Dolmetscher erhielt er von einer Bekannten. Als er erfuhr, dass Refugio Stuttgart dringend auf der Suche nach Deutsch-Türkischen Sprachmittlern sei, bewarb er sich kurzerhand.
Außerdem ist er freischaffender Künstler. Er malt seit seiner Kindheit – bisher vor allem surrealistische Gemälde und Porträts. Eine seiner neueren Bilderserien zeigt Buchstaben verschiedener Alphabete auf abstrakten bunten Hintergründen. Teile davon werden von März bis Mai 2025 in unseren Räumlichkeiten in der Waiblinger Straße ausgestellt.
"Am Anfang war das Wort.
Das Wort besteht aus Buchstaben.
Ohne Buchstaben gibt es kein Wort." - Auszug aus der Werkbeschreibung
Lieber Herr Ünsaler, wie ist die Idee zu Ihrer Buchstaben-Serie entstanden?
Antwort: Es kam einfach so über mich, wie eine Eingebung. Eigentlich dachte ich, dass abstrakte Malerei überhaupt nicht mein Ding ist. Doch als die Idee da war, war es wie im Rausch: Ich habe phasenweise ein bis zwei Bilder pro Woche gemalt. Ich habe festgestellt, dass es über 100 verschiedene Alphabete auf der Welt gibt - und dass das lateinische bei weitem nicht das Schönste ist. Ich wollte mit meiner Arbeit vor allem diese ästhetische Seite der Alphabete und Buchstaben beleuchten.
Glauben Sie, dass Ihre eigene Mehrsprachigkeit eine Rolle dabei gespielt hat, dass sie sich gerade dieses Thema ausgesucht haben?
Antwort: Das ist eine schwierige Frage. Ich spreche eigentlich nur Deutsch und Türkisch, mit dem Englischen kämpfe ich schon seit Jahren – ich sage, ich spreche bloß „Tarzan-Englisch“. Auf der anderen Seite bewundere und interessiere ich mich schon lange für die Schönheit des Sanskrit-Alphabets, zum Beispiel die des „Om“. Auch in der jetzigen Bilderserie begeisterten mich die Schriften des indischen Schriftenkreises am meisten.
"Die alte Weisheit 'Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen' ist wahr.
Aber die einzelnen Bäume sind genauso wichtig wie der Wald.
Ohne Bäume gibt es keinen Wald. Darum verdienen die einzelnen Buchstaben auch unsere Aufmerksamkeit."
Diese wohlverdiente Aufmerksamkeit lassen Sie den Buchstaben in Ihrer Bilderserie zukommen. Können Sie uns beschreiben, wie Sie beim Erschaffen der Bilder vorgegangen sind?
Antwort: Zunächst habe ich die Hintergründe gemalt. Wichtig war mir dabei, dass diese auch für sich genommen schön sind. Nicht bei allen Versuchen klappte das auf Anhieb, aus manchen Bildern ist überhaupt nichts geworden. Erst, wenn in mit dem Hintergrund komplett zufrieden war, fand sich ein passender Buchstabe dazu. So entstanden insgesamt 21 Bilder.
Wie haben Sie die die Buchstaben ausgewählt?
Antwort: Die Schriftzeichen habe ich nach rein ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt, die Bedeutung komplett außen vorgelassen. Gefunden habe ich sie über das Internet. Heiliges Google! Ich habe auch versucht, ein gutes Buch zum Thema zu finden, war aber leider nicht erfolgreich.
"Ohne Worte gibt es keinen Satz.
Ohne Sätze gibt es keine Texte und Bücher.
Buchstaben sind Grundbausteine unserer menschlichen Kultur."
Nicht nur als Künstler, auch bei Ihrer Arbeit für Refugio Stuttgart beschäftigen Sie sich mit Sprache. Wie hängen diese beiden Perspektiven auf Sprache miteinander zusammen?
Antwort: Die Vielfalt der Schriften passt gut zu Refugio, wo eine Vielzahl an Sprachen gesprochen wird. Beim Malen war jedoch vor allem die Form der Buchstaben wichtig, während es beim Dolmetschen um Inhalt und Bedeutung geht. Wir Sprachmittelnden versuchen, möglichst eine 1:1-Entsprechung in der Bedeutung zu finden. Es wird in der Ich-Form übersetzt. Außerdem unterhalten wir uns oft hinterher mit den Berater:innen, um auch möglicherweise kulturell bedingte Besonderheiten in der Kommunikation zu erklären.