PSYCHOSOZIALES ZENTRUM FÜR TRAUMATISIERTE GEFLÜCHTETE. HOFFNUNG FINDEN, BRÜCKEN BAUEN, PERSPEKTIVEN GESTALTEN.

NEWS

Refugio Stuttgart - Ein sicherer Ort für Überlebende sexualisierter Gewalt

Geflüchtete Menschen sind häufiger als andere in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt betroffen. Sexualisierte Gewalt ist oft eine der schlimmen Erfahrungen, die Menschen dazu bringen, ihr Heimatland zu verlassen. Häufig erleben sie weitere sexuelle Übergriffe auf der Flucht und nach der Ankunft in Deutschland. Refugio Stuttgart e.V. unterstützt Überlebende sexualisierter Gewalt mit traumaspezifischer Beratung und Therapie.

Sexuelle Gewalterfahrungen gehören zu den am stärksten traumatisierenden Ereignissen.
Nach Vergewaltigung entwickeln Studien zufolge über 90 Prozent der Betroffenen eine akute und ca. 50 Prozent eine länger anhaltende posttraumatische Belastungsstörung. Sexualisierte Gewalt kann der Hauptgrund für die Flucht sein, häufig ist die Erfahrung sexueller Übergriffe jedoch nur ein Teil einer Kette von Traumatisierungen, die über einen langen Zeitraum stattgefunden haben, und die sich bereits im Herkunftsland ereignet hat. Sie wird im Kontext von Kriegen, staatlicher Gewalt und Folter, religiöser oder politischer Verfolgung, Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder in patriarchalen Strukturen von den Tätern häufig dazu benutzt, die Opfer schwer zu demütigen. Gerade die psychischen Folgen sexualisierter Gewalt sind besonders langanhaltend und schädigend. Nicht nur Frauen und Mädchen sind betroffen, auch Männer und Jungen erleiden schwere Formen sexualisierter Gewalt.

Besonders Frauen und Kinder sind auf der Flucht gefährdet.
Auf der Flucht sind die Menschen dann aufgrund unsicherer und prekärer Lebenssituationen einem äußerst hohen Risiko ausgesetzt, erneut Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Zwangsprostitution und Menschenhandel sind häufig. Doch auch in Europa und hier in Deutschland birgt die Unterbringungssituation Geflüchteter häufig die Gefahr erneuter sexueller Übergriffe: keine Privatsphäre, gemeinsame Sanitärräume für viele Menschen – gerade alleinstehende Frauen sind besonders gefährdet. Wenn sie bereits früher sexualisierte Gewalt erlebt haben, ist die Angst häufig ihr ständiger Begleiter.

Die Schwelle, über erlebte sexualisierte Gewalt zu sprechen ist für Geflüchtete besonders hoch.
In den meisten Gesellschaften ist sexualisierte Gewalt ein Tabuthema, hinzu kommt häufig, dass solche Erfahrungen auch innerfamiliär nicht angesprochen werden können. Vielen würde der Bruch mit der Familie drohen, wenn die erlittenen Übergriffe bekannt werden würden. Daher bleibt vielen Betroffene nur das Schweigen. Die Sprachbarriere und viele aktuelle Probleme, die im Vordergrund stehen, tragen dazu bei, dass Betroffene von den sexuellen Gewalterfahrungen selbst bei Arztbesuchen häufig nicht berichten können. Hinzu kommen innere Barrieren wie Angst, Schuld- und Schamgefühle: die Angst davor, dass einem nicht geglaubt wird; die Angst, dass es die Familie erfährt; Angst vor Ausgrenzung; Angst, dass der Täter sich rächen wird, wenn man davon erzählt; Angst vor dem Aussprechen, davor dass es tatsächlich wahr ist. Vielen Betroffenen gelingt es daher leider nicht oder nur bruchstückhaft, im Asylverfahren von den sexuellen Gewalterfahrungen zu berichten. Dies führt nicht selten dazu, dass die erlittene Gewalt im Asylverfahren nicht berücksichtigt wird.

Betroffene brauchen einen sicheren Ort und vertrauensvolle Beziehungen, um über die Gewalterfahrungen sprechen zu können.
Refugio Stuttgart ist für viele ein „sicherer Ort“, an dem selbst schlimmste Erfahrungen ausgesprochen und benannt werden können. Im Jahr 2022 haben bei Refugio Stuttgart 10 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen von sexuellen Gewalterfahrungen berichtet. Es handelte sich dabei in der Regel um schwere und mehrfache Traumatisierungen, über die die Betroffenen häufig nur sehr schwer und erst nach vielen Beratungsterminen sprechen konnten. Unsere psychotraumatologisch spezialisierten Berater:innen und Therapeut:innen unterstützen die Betroffenen gemeinsam mit geschulten Sprachmittler:innen behutsam dabei, einen Weg für sich zu finden, um mit diesen Erfahrungen weiterzuleben.

5.12.23

 

Zurück

Wir setzen ausschließlich technisch notwendige Cookies ein. Detaillierte Infos erhalten Sie unter Datenschutz.

OK, verstanden